Zwei Schwestern


Zwei Schwestern

Ein relativ neues Projekt, das mir aber inzwischen sehr am Herzen liegt.
Ich bin auf die Idee gekommen, als ich im Dramaturgie-Schnupper-Unterricht einen Bogen über die Entwicklung eines Charakters bekommen habe. Dadurch ist sehr schnell Orella entstanden und ich habe die Geschichte drum herum gebastelt. :)

Klappentext

Zwei Schwestern, die verschiedener nicht sein könnten, bekommen eine letzte Botschaft von ihren toten Eltern. Der Inhalt der zwei Briefe verursacht einen furchtbaren Streit, nach dem beide auseinander gehen und  den letzten Worten ihrer Eltern folgen.
Während die schöne Odette versucht in Paris Fuß zu fassen, gerät Orella in Schottland in unvorhergesehene Schwierigkeiten. Eine der beiden findet die große Liebe, die andere wird bitterlich enttäuscht.
Werden sie zum Schluss wieder zusammenfinden und wohl möglich den Tod ihrer geliebten Eltern aufklären?

Leseprobe

Ich schlug meine Augen auf und das erste was ich sah waren meine Eltern. Sie lächelten mich an, hielten sich an den Händen.
Mutter hatte ihre langen hellen Locken zusammengesteckt, was ihre hohen Wangenknochen betonte. Sie trug wie gewöhnlich ihr dunkelrotes Lieblingskleid. Es harmonierte perfekt mit der Krawatte meines Vaters, der groß und schmal neben ihr stand. Seine dunklen Haare waren zerzaust, die grünen Augen leuchteten.
Ich strich mit dem Finger über die Wand. Zog ihre Silhouetten nach. Jede kleinste Erhebung der Acrylfarbe kannte ich auswendig, denn ich hatte sie dorthin gemalt.
Sie lächelten so voller Leben, dass ich fast hören konnte wie sie sangen: „Alles Gute zum Geburtstag, Zwillinge!“
Hinter meinem Rücken hörte ich die Bettwäsche rascheln. Odette, meine Schwester, die in dem Bett am anderen Ende des Zimmers schlief, gähnte und streckte sich.
Zaghaft erhob ich meine Stimme. „Happy Birthday, Odi!“
Der darauf folgenden Stille entnahm ich, dass ich das Falsche gesagt hatte. Ich drehte mich zur anderen Seite und schaute sie an.
Odette lag da, die Arme elegant über ihren Kopf gelegt, und schaute mit ihren meerblauen Augen an die Decke. Die zartrosa Lippen bewegten sich kaum merklich als sie sprach. „Ich hasse diesen Namen. Also, bitte nenn mich nicht so! Wir sind jetzt 18. Erwachsen. Nenn mich Odette!“
Genervt von ihrer Überempfindlichkeit verdrehte ich die Augen.
„Und, wehe du fängst jetzt mit Mama und Papa an!“, fügte sie bissig hinzu, aber ich hörte den Schmerz in ihrer Stimme. „Die Erinnerung an sie lähmt dich. Darin kannst du mir nicht widersprechen.“
„Es sind unsere Eltern, sie werden immer ein Teil unseres Lebens sein, egal was du sagst!“, antwortete ich schnell.
Sie drehte ihren Kopf zur Seite und sah mir quer durchs Zimmer in die Augen.
Hinter den Gardinen über ihrem Bett ging die kühle Morgensonne auf.
„Kannst du mir widersprechen?“, fragte sie frostig.
Wut kochte in mir hoch. Was wusste sie schon über mich, über meine Gefühle? Zweieiige Zwillinge, aber wir waren uns fremder als der Winter dem Sommer.
Zuerst wollte ich irgendeine trotzige Antwort ausspucken, aber wenn ich genauer über ihre Worte nachdachte, musste ich zugeben, dass sie Recht hatte.
Ich verschwand stundenlang in meinen Gedanken an sie. Ja, träumte sogar von ihnen. Und was hatte es mir gebracht? Nichts. Ich wurde immer schlechter in der Schule, in den Fächern, die ich nicht auf Anhieb konnte und sah meine Freunde seltener als je zuvor. Nicht einmal mein Motivationsschreiben für die Uni war schon fertig.
Resigniert und wütend darüber, dass sie mir mal wieder die ganze Stimmung vermiest hatte, zog ich mir die Bettdecke wieder über den Kopf.
Durch die weichen Daunen hindurch hörte ich sie seufzen.
Ihre nackten Füße schmatzten über das Parkett. „Ich gehe jetzt runter in die Küche und helfe Onkel Thierry beim Frühstückmachen. Wenn du dich wieder eingekriegt hast, kannst du ja nachkommen!“
Als sie die Tür wieder geschlossen hatte, schlug ich die Decke wieder zu Seite. Wütend verharrte ich einen Moment.
Ich wusste, sie war meine Schwester, aber hatte sie deshalb auch das Recht so mit mir zu reden? Ich sollte sie lieben und zu ihr halten. Aber warum musste ich das machen, wenn sie es doch selbst nicht tat?

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