Geisterwasser

Geisterwasser

Klappentext

Rowenas gesamtes Leben gerät aus den Fugen, als sie ihren Freund Beda bei einer anderen Frau findet. Dabei ist genau diese Frau der Schlüssel in eine fantastische Welt. Eine Welt in der Geister durch die Wälder streifen und in der dich manchmal nur eine Gebetskerze vor dem sicheren Tod bewahrt.
Der schöne Silver fängt sie, als sie alles verliert, und zeigt ihr, wie man mit gespenstischen Wesen umgehen muss.

Leseprobe

Der Teppich unter mir ist dick und weich. Ich fahre mit den Fingern hindurch
und entknote die gezwirbelten Fäden. Meine Schuhe sind unbequem und meine Arme und Beine werden kalt. Der Satin liegt starr und kühl auf meiner Haut, aber ich bin zu müde um mich umziehen zu gehen.
Ich schaue hinüber zu Beda, der auf seinem Sessel sitzt und durch die Zeitung blättert. Das Kaminfeuer flackert und knistert und lässt den roten Samt von Bedas Sessel erleuchten. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich weiß, dass er zufrieden ist. Ich kenne ihn zu gut, um zu wissen, dass er diese Stille nicht ertragen hätte. Vielmehr wäre er durchs Haus geschlichen und hätte vor sich hin gemurmelt. Er zieht wahrscheinlich gerade die Stirn in Falten über die politischen Debatten auf den letzten Seiten und fühlt sich wohl in seinem Anzug neben dem Kamin.
Aber mir ist kalt und ich bin müde. Ich gehöre in mein warmes Bett, aber da Beda schweigt, kann ich mich nicht aufraffen. Wenn er doch nur etwas sagen würde, wäre es noch so belanglos, dann würde ich aufstehen und schlafen gehen, aber von alleine erscheint es mir unmöglich.
Ich sitze hier, seitdem wir aus dem Theater zurückgekommen sind und unsgegenseitig zustimmten, wie schön es war und, dass Peter endlich wieder Glück beim Schreiben von Stücken hat.
Beda faltet die Zeitung zusammen und schaut mich an, ohne ein Wort zu sagen.
Der Reißverschluss meines Kleides juckt und kratzt. „Erzählst du mir eineGeschichte?“
Ein Lächeln erhellt sein Gesicht. Er legt die Zeitung auf einen Stapel Bücherund bedeutet mir zu ihm zu kommen.
Obwohl er immer noch nichts gesagt hat, stehe ich auf und gehe auf ihn zu.
Er sieht müde aus und selbst im Feuer des Kamins huscht nur ein leichtesFlimmern über seine Augen.
Ich lege meine Hand auf seine Schulter und setze mich auf seinen Schoß.
„Wie alt bist du?“, fragt er mich, wie er es immer tut, wenn ich mit so etwasKindischem zu ihm komme.
„19 – und du?“
Er lacht über meine Antwort und fährt mir mit einer Hand durchs Haar. Bedaverlagert sein Gewicht und zieht mich näher zu sich heran. Das Licht der Flammen spielt mit seinen Gesichtszügen. Die Nase wirft einen geraden Schatten auf seine hohen Wangenknochen, die Augenbrauen verdunkeln seine großen braunen Augen. Er öffnet den Mund ein kleines Stück. Kurz bevor er mich küsst, hält er inne und spricht mit geschlossenen Augen: „Eine ganz kurze, okay?“
Sein Atem riecht nach Wein, seine Haare nach Pfefferminze. Ich lehne mich zu ihm, aber er weicht lachend
zurück.
„Okay“, flüstere ich in seinen Mund und warte auf den Kuss. Diese flüchtigeBerührung macht mich wahnsinnig, aber ich bin zu müde, darum zu kämpfen.
Er lehnt sich zurück und lässt mich von ihm wegrutschen. Beda schaut zur Decke und versinkt in seinen Gedanken.
Seine Schulter ist zwar keine Alternative zum Kuss, aber gemütlich genug umdaran zu verweilen.Kurz bevor meine Augen zufallen beginnt er wieder zu sprechen. „Es war einmal ein Mädchen, das lebte im Wasser.“
Als er nicht weiterspricht, setze ich mich auf und suche seinen Blick. „Undweiter?“
„Nicht weiter, das war es“, sagt er schlicht, ohne zu lächeln.
„Das ist keine Geschichte!“, beklage ich mich vorsichtig. Bedas Ausdruck macht mich traurig und zugleich wütend, weil er mir solche Hoffnungen macht, nur um mich dann zu enttäuschen. Aber ich kenne Beda, ich weiß wie er ist und dass ich ihn genau deshalb liebe, und trotzdem nervt es mich manchmal. Ich weiß, dass er in seiner eigenen Welt lebt, das tue ich auch, aber ich nehme immerzu Rücksicht auf ihn, mehr als er auf mich.
Sein Blick wird weicher. „Es tut mir leid, Ro! Es… tut mir leid.“
Das ist das Signal für mich aufzustehen. Ich streiche kurz mein Kleid glatt und bücke mich, um meine Schuhe auszuziehen. „Ist schon gut“ – und ich meine es ernst, weil ich ihn verstehe. Ich bin oft genauso wie Beda, nur nicht, wenn ich bei ihm bin, wodurch ich manchmal denke, dass ich ihm nicht so viel bedeute wie er mir. Als fühle er nicht so viel, wie ich für ihn empfinde. Aber wir sind nicht gleich, wir sind nicht dieselbe Person, egal, ob wir uns manchmal ähneln, das muss ich endlich einsehen.
Er gleitet von seinem Sessel auf den Boden und öffnet die Schuhe für mich. Müde richtet er sich auf. Die Pumps schiebe ich mit dem Fuß zur Seite und stehe direkt vor Beda, der ganz langsam über meine Taille streicht. Sein Gesicht kommt immer näher, dabei habe ich die Hoffnung auf einen Kuss schon aufgegeben. „Danke schön“, flüstere ich.
Zuerst sieht es so aus, als ob das Spiel von eben weitergeht, dass er michwieder nicht küsst, aber dann durchfährt mich ein Schauer, als er mich an sich drückt. Seine Lippen sind weich und sein Griff energisch. Er hält mich fest und zieht mich weiter zu sich heran, seine Arme liegen über meinen Rücken, eine Hand in meinem Nacken. Ich gehöre ihm, mein Herz und mein Körper sehnen sich nach ihm, dabei ist er genau hier, bei mir.

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